Wahrhaft sein,
wahrhaftes Sein...was heißt das überhaupt? Tagtäglich nehmen wir diese Worte in
den Mund, oft ohne sich 'wahrhaft' bewusst zu sein, was es wirklich bedeutet,
sondern eher als Floskel und ohne zu erkennen, welche Lernaufgabe hinter dieser
Redewendung für uns steckt.
Laut Wikipedia ist
mit Wahrhaftigkeit "eine Denkhaltung, die das Streben nach Wahrheit
beinhaltet. Das Für-Wahr-Halten der eigenen Aussage in einem konkreten
Kontext." gemeint. Nach Otto Friedrich Bollnow wendet sich die Wahrhaftigkeit nach
Innen, das heißt, sie lebt in der Beziehung des Menschen zu sich selbst. Der
Duden verwendet als Synonyme für die Wahrhaftigkeit u.a. Ehrlichkeit,
Loyalität, Zuverlässigkeit.
Stellen wir uns mal
die Frage "Lebe ich wahrhaftig?" Mit dieser Frage möchte ich nicht
bloß auf das physische Dasein hinweisen, sondern auf die Achtsamkeit und
Bewusstsein des eigenen Lebens. Wahrhaftigkeit ist ein Weg der Erkenntnisse,
beim einen mag er kürzer sein, beim anderen länger. Das ist individuell
verschieden.
Coachingarbeit ist im
Grunde eine Begleitung auf dem Weg der Erkenntnis. Tagtäglich kommen Klienten
zu mir, egal ob aus Sport, Management, Medizin, Naturwissenschaft, Medien,
Politik....sie alle wenden sich an mich mit einem konkreten Thema, egal ob
beruflich, privat, beziehungstechnisch oder im Leistungssport. Sie kommen in
Rage, emotional aufgeladen, verzweifelt, durcheinander, hilflos,
machtlos...schildern ein Konflikt, den sie meist mit jemand anderem führen und
nach einer Lösung, nach einem Ausweg suchen. Im Coaching reflektieren wir den
Sachverhalt und suchen nach Erkenntnissen und daraus resultierenden konkreten
Lösungen. Danach tritt eine Erleichterung ein. Doch, was passiert da genau?
Jeder Konflikt, den wir im Außen mit anderen Menschen führen ist ein Spiegel
eines Konflikts, den wir mit uns selbst führen, meist unbewusst. Und es gilt
aus dem Konflikt etwas zu erkennen, um unserer Wahrhaftigkeit ein Stück näher
zu kommen. Konflikte sind immer ein Zeichen, dass wir im Grunde unehrlich zu
uns selbst sind und sozusagen Raubbau an uns selbst betreiben, nicht wahrhaft
sind.
Sind wir mal ehrlich
zu uns selbst: Sind wir immer und überall, in allen Lebensbereichen und auf
allen Ebenen wirklich ehrlich zu uns selbst? Leben wir immer das, was wir
selbst wirklich wollen, was zu unserem Wohle und Besten ist? Oder lassen wir
uns selbst etwas vormachen? Machen wir uns selbst etwas vor? Verstecken wir uns
hinter irgendwelchen Masken und Schutzmauern, die aus Unsicherheiten, Ängsten
und negativen Erlebnissen aus der Vergangenheit resultieren, die wir uns selbst
aufgebaut haben, um uns vermeintlich zu schützen? Nehmen wir unsere eigenen
Schutzmauern überhaupt noch wahr? Oder wundern wir uns, warum wir ständig
gestresst, müde, ausgelaugt sind und uns dann ein Burnout attestieren lassen?
All diese Symptome sind klare Anzeichen, dass die Wahrhaftigkeit nicht gelebt
wird. Dass ein Schein und nur ein Schattendasein von uns selbst zugelassen wird.
Vergleichbar mit dem Höhlengleichnis von Platon. Schon er wollte mit seinem
Gleichnis die Menschheit zur Wahrhaftigkeit ermutigen.
Wahrhaftigkeit
erfordert Mut und Entschlossenheit, doch bringt sie so viel Leichtigkeit,
Klarheit und Stärke mit sich, denn wenn wir wahrhaftig sind, sind wir
konsequent ehrlich zu uns, leben unser wahres Potenzial und sind stets in unserem
Element und glücklich.
Wie gelangen wir zur
Wahrhaftigkeit? Fragen wir uns einmal selbst ob wir das, was wir tun auch
wirklich unserem Sein, unseren Interessen, Talenten, Neigungen, Stärken
entspricht und warum wir es wirklich tun? Tun wir es, weil es uns wirklich Spaß
macht und erfüllt und wir dabei eine Leichtigkeit, ein Fluss spüren oder weil
wir irgendjemand etwas "beweisen" wollen oder nach Anerkennung
streben? Tun wir das, was wir tun für uns selbst oder lediglich für unseren
Lebenslauf oder gar für jemand anders? Treffen wir unsere Entscheidungen aus unserem Herzen oder aus
Angst, dass es für unseren weiteren (beruflichen oder sportlichen) Lebensweg
irgendwelche negativen Folgen haben könnte? Spüren wir Ängste, Stress und
Unsicherheiten bei unseren Handlungsschritten bzw. Entscheidungen? Wollen wir
uns vor irgendwas drücken und somit unterdrücken und uns selbst unter Druck
setzen?
So lange wir an
solchen Mustern festhalten, hinter Masken und Schutzmauern leben, im Alltag
Stress und Druck spüren, uns die Beziehungen und Handlungsfelder, unser Job
krank macht, ist es ein klares Zeichen, wie achtlos wir mit uns umgehen und wie
weit wir von der Wahrhaftigkeit entfernt sind. Nicht das Leben leben, das wir
wirklich wollen. Oft sind es auch antrainierte Muster aus unserer Erziehung,
die uns prägen.
Doch das Schöne ist,
wir können jeden Tag aussteigen. Stellen wir uns vor wir befinden uns in einem
Kreisverkehr. Wir haben die Möglichkeit die Ausfahrt zu nehmen und weiter zu
kommen, uns selbst näher zu kommen. Wir drehen uns nicht länger im Kreis,
sondern fangen an, uns zu ent-wickeln, uns von dem zu lösen, was uns davon
abgehalten hat wahrhaft und vollkommen ehrlich zu uns selbst sein. Welche
Kräfte sich da frei setzen und welchen Gewinn wir dann in den Händen halten,
ist unglaublich. Wir gehen achtsam und wertvoll mit uns selbst um und das gibt
uns auch unser Umfeld zurück.
Wahrhaftiges Sein ist
im Grunde der oder die zu sein, der/die ich wirklich bin. Frei sein auf allen
Ebenen. Ehrlich zu sein und dies als Grundhaltung uns selbst und anderen
gegenüber zu leben, unserer Würde entsprechend, wie es in Artikel 1 des
Grundgesetzes steht. Würdevoll mit sich selbst umgehen, sich seinen Ängsten zu
stellen, sie zu überwinden, Protagonist im eigenen Leben zu sein,
selbstbestimmt zu handeln, die Verantwortung für unser Leben zu übernehmen.
Stellen wir uns
einmal vor, welches Kraftfeld wir auf Erden hätten, würde jeder Mensch seine
Wahrhaftigkeit leben. Neid, Gier und Missgunst wären chancenlos.
Ich freue mich, dass
ich in meiner Coachingpraxis täglich Menschen auf ihrem Weg zur Wahrhaftigkeit
begleiten darf, durch Impulse, Perspektivenwechsel, Reflexionen, welche
Blockaden auflösen, Masken fallen und Schutzmauern einstürzen lassen.
Nur Mut, jeder
Mensch, egal welchen Alters und welchen Standes hat die Chance zum wahrhaften
Sein.